Ratgeber Kieferorthopädie: Zahnspange – wann und wie?
„Schiefe Zähne – was soll’s?“ So denken die Wenigsten. Eltern ist die Stellung der Zähne ihrer Kinder sehr wichtig, denn die Zähne haben einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Das Kauen, Abbeißen, Sprechen und Atmen hängt stark von der (richtigen) Stellung der Zähne ab. Auch Kaumuskulatur und Kiefergelenk stehen mit der Zahnstellung in Zusammenhang. Außerdem sehen gerade Zähne nicht nur gut aus, sie sind auch leichter zu reinigen.
Fast 50 % aller Kinder und Jugendlichen weisen während der Entwicklung ihres Gebisses Fehlstellungen der Zähne auf – oft kombiniert mit einer Fehllage der Kiefer. Die meisten Fälle werden in den ersten Schuljahren durch Zahnärzte festgestellt oder auch durch die Eltern selbst „entdeckt“. Oft erfolgt dann eine Vorstellung beim Fachzahnarzt für Kieferorthopädie oder einem kieferorthopädisch tätigen Zahnarzt.
Doch was passiert eigentlich beim Kieferorthopäden? Wann sollte bei Kindern eine Behandlung idealerweise beginnen und wie lange dauert sie? Welche Arten von Zahnspangen gibt es und was ist bei ihrer Pflege zu beachten? Welche Kosten übernimmt die Krankenkasse und welche sind privat zu tragen?
Schiefe Zähne – was nun?
Nach gründlicher klinischer Untersuchung des Patienten erfolgt eine Aufklärung der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten zum Ausmaß der Zahnfehlstellung. Seit 2002 bezuschussen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nicht mehr alle Behandlungen von Zahnfehlstellungen. Nach messtechnischer Ermittlung muss immer ein bestimmtes Ausmaß an Zahnfehlstellungen vorliegen, um einen kieferorthopädischen Behandlungsplan bei der zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung einreichen zu können. Einen kurzen Überblick über das System der kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) zeigt die Tabelle unten. Für privatversicherte Patienten gelten andere Regeln auf Grundlage der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).
Alter des Patienten
Die kieferorthopädische Regelbehandlung startet, wenn bei den Patienten der Zahnwechsel der Seitenzähne begonnen hat. Dann sind die Kinder meist neun bis zehn Jahre alt. Es gibt jedoch große Altersschwankungen. Jungen „hinken“ in diesem Alter bei der Gebissentwicklung den Mädchen oft etwas hinterher.
Keine Regel ohne Ausnahmen
Ausnahme 1 – Bestimmte Zahnfehlstellungen können auch frühzeitiger behandelt werden. Dabei handelt es sich um Zahnfehlstellungen, die eine Hemmung des Kieferwachstums verursachen können oder die Gefahr einer Zahnverletzung erhöhen. Diese Frühbehandlungen sollen nicht vor dem vierten Lebensjahr beginnen. Für Patienten mit Spaltbildungen und schweren Entwicklungsstörungen im Kiefer-Gesichtsbereich gelten Sonderregeln.
Ausnahme 2 – Erwachsene Patienten haben nur Anspruch auf eine Kassenbehandlung, wenn ihre Kieferfehlstellung ein Ausmaß hat, welches ein kombiniert kieferorthopädisch/ kieferchirurgisches Vorgehen notwendig macht. Die in diesem Zusammenhang notwendige Operation muss alternativlos sein.
Wie lange dauert eine Behandlung?
Es gibt Frühbehandlungen, Frühe Behandlungen und Regelbehandlungen. Eine Frühbehandlung ist auf sechs Quartale (eineinhalb Jahre) beschränkt. Frühe Behandlungen und Regelbehandlungen genehmigen die Krankenkassen immer für 16 Quartale (vier Jahre). Unter bestimmten Umständen kann eine Verlängerung nötig werden.
Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen
Nach Prüfung und Genehmigung des Behandlungsplans übernehmen die Krankenkassen 80 % der Behandlungskosten. Für jedes weitere im gleichen Haushalt lebende Kind übernimmt die Krankenkasse bei gleichzeitiger Behandlung 90 % der Kosten. Die Rechnungslegung erfolgt quartalsweise. Das heißt, Eltern haben vorerst einen Eigenanteil von 20 % bzw. 10 % zu tragen. Diesen bekommen die Eltern nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung von der Krankenkasse zurückerstattet. Somit bleibt eine kieferorthopädische Behandlung für die Eltern im Endeffekt kostenfrei.
Private Zuzahlungen zur kieferorthopädischen Behandlung
Die gesetzlichen Krankenkassen sind bei kieferorthopädischen Behandlungen an ein Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden. Daher werden von den Krankenkassen neue diagnostische und therapeutische Varianten oft nicht bezahlt. Das betrifft insbesondere ästhetisch ansprechende und Komfortbehandlungen (z. B. Keramik oder Komfortbrackets und „unsichtbare“ Zahnspangen).
Vor Beginn der Behandlung muss der Kieferorthopäde die Eltern über die Möglichkeit dieser von den Krankenkassen nicht bezahlten Leistungen aufklären, damit sie eine Entscheidungsbasis haben. In jedem Fall ist einem gesetzlich versicherten Patienten jedoch eine zuzahlungsfreie kieferorthopädische Kassenbehandlung anzubieten. Die Eltern entscheiden selbst, ob zusätzliche Leistungen in Anspruch genommen werden.
Was verbirgt sich hinter „KIG“?
KIG bedeutet „Kieferorthopädische Indikationsgruppe/-n“. Jeder kieferorthopädische Befund wird nach Schweregrad in KIG 1 bis KIG 5 eingeteilt. Nur bei einer Einstufung von KIG 3 bis KIG 5 tragen die Krankenkassen die Behandlungskosten. Zusätzliche Kosten können entstehen, wenn Mehrleistungen vereinbart werden, z. B. für eine ästhetischere oder komfortablere Therapie.
Beispiel: Ein Kind hat eine große Schneidezahnstufe (D in der Tabelle). Ist diese größer als 6 mm, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Bei einer Schneidezahnstufe von weniger als 6 mm müsste eine Behandlung privat bezahlt werden.
Quelle / Auszüge aus: Zahnrat Ausgabe 91 >
Das Heft zum download > Zahnspange-wann-und-wie-Ratgeber-Kieferorthopaedie-91